Donnerstag, 2. April 2015

Haftbefehl – Ich rolle mit meim Besten (ft. Marteria)

Einen schönen ̶s̶̶e̶̶c̶̶h̶̶s̶̶t̶̶e̶̶n̶̶ ̶̶j̶ä̶̶n̶̶n̶̶e̶̶r̶  zweiten April 2015!

Kurzer Einschub: Mein Leben hat sich 2015 seit dem 6. Jänner quasi mit Ereignissen überstürzt und so hat dieser Beitrag bisschen länger gebraucht. Nämlich bis zum zweiten April. Viel Spaß:

Ich bin zurück! Wo ich war, habe ich gestern hier festgehalten und mein erster richtiger Eintrag nach der zweijährigen Pause ist eine klassische Messer-von-hinten-Nummer. Vorweg, keine Angst, es wird natürlich auch wieder Böseres geben, jedoch fand ich diese Nummer anfänglich so absurd, dass sie einfach auch ausschlaggebend für meine Rückkehr war und so führt kein Weg daran vorbei.

Es geht um "Ich rolle mit meim Besten" von einem Typen namens Haftbefehl, zu dem ich (glücklicher- oder traurigerweise) keinerlei Bezug in meinem Leben hatte, bis ich auf Vice über ihn gestolpert bin. Ich wurde neugierig, da sein Schaffen in diesem Artikel über alle Wolken gelobt wurde. Vice ist eine Seite, die ich für ihre ambivalenten Artikel sehr zu schätzen gelernt habe, die einen beeindruckenden Spagat zwischen Progressivität, Provokation, großartigen Reportagen, Nonsense und reißerischen, subjektiven Meinungen und Erfahrungsberichten schaffen und dabei nahezu immer einen anderen Blickwinkel auf diverse Themen bieten als man es von anderen Medien gewöhnt ist.

Wenn Vice mir also einen Typen als Genie verkaufen will, der auf den ersten Blick wie der niederste Auswuchs der untersten Schublade des deutschen musikalischen Plattenbau-Schaffens wirkt, dem es gelingt, viele anderen deutschen Gangsta-Hop-'Größen' auf seine Bonusdisk zu packen und der nebenbei astrein-sexistische Videos ("Ich rolle mit meim Besten" muss wohl als neue Referenz betrachtet werden, wenn es um den Begriff Underboob geht) veröffentlicht, dann kollidiert das mit meiner latent vorhandenen – wenn auch völlig subjektiven – Erwartung an Vice eher feministisch zu sein. Wenn diese neue deutsche dichterische 'Höchstleistung' dann unter anderem auch von Zeit-Kolumnen untermauert wird, dann ist mein Interesse geweckt. Bin ich zu alt für den Scheiß? Zu engstirnig? Erkenne ich die wahre Größe hinter dieser scheinbar willkürlichen Aneinanderreihung irgendwelcher Floskeln und Worte nicht?

Ich will diesmal, angeregt durch Comments, den Aufbau des Beitrags leicht ändern. Zuerst gibt es das Video in seinem vollen 'Glanz', dann die kompletten Lyrics, bei der Interpretation und Analyse der Lyrics werde ich jede Strophe aber erneut anführen. Damit wird das Ganze dann zwar noch länger, aber hoffentlich deutlich übersichtlicher. Let's go!


Video: 





Lyrics:

Tatort, Frankfurt, Mainhattan
Artcore, du kennst FFM
Chabos, jetzt gibt's Heckmeck
Bös 

Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Im 600er Mercedes SL
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Ich und er sind jede Zeit bereit für Action

Ich bin high und ich rolle tief
Ich bin high und ich rolle tief
Ich bin high und ich rolle tief
Ich bin high und ich rolle tief
 
In-die-Fresse-Rap, jetzt gibt's Heckmeck
Fick-deine-Mutter-Mukke, das ist die Message
Aus Flex wird Crack, so wie gewohnt
Magic Rezept, doch nix Harry Potter, Hundesohn
Cash mit Packs, Geld mit Schnuff
Jetzt wird gestreckt, denn das Insan ist pur
Fick die Welt, Baba Haft macht Para
Mit Tijara und verkauft mehr Hähnchen als Wienerwald
Deal das Material, dieser Schwanz riecht nach Vignetten (???)
Ich beam mich in das All zu ET per 07-Pack
Es macht click-clack, jetzt ist der Copkiller back
Fuck Thug Life, Azzlack-Style, neuf millimètre

Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Im G-Klasse Wüstentarn, jeder will mal Panzer fahrn
 Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Er und ich sind jede Zeit bereit für Action

Ich bin high und ich rolle tief
Ich bin high und ich rolle tief
Ich bin high und ich rolle tief
 
Alkoholkontrolle, Gorbatschow am Lenkrad
Jetzt liegt der Bastard auf der Ladefläche vom Defender
Der erste Tramper wird gefickt, magentafarben
Bitches blasen hinter Paderborn Tyrannosaurus Dick, Amores Perros
Leader of the Gang-Straßenköter-Clique
Pizza La Romantica macht schick, wenn du König bist
Wie schön du bist, zählt nicht, Cagefight, ewig nicht
Mein Wellensittich Bubi (?) sieht aus wie du, wenn er im Käfig sitzt
Babyface, Ladyshave, genieß dein Welpenschutz
Al Capone raucht Weed, bevor dich Ivan in die Elbe schubst
Aufrecht, Melcher, Großaspach, teure Felgen
Die Papers sind von Marsi, denn ich rolle mit meim Besten

Tatort, Frankfurt, Mainhattan
Artcore, du kennst FFM
Chabos, jetzt gibt's Heckmeck
Bös

denn ich rolle mit meim Besten
denn ich rolle mit meim Besten
denn ich rolle mit meim Besten
ich und er sind jederzeit bereit für Action


Rhetorik und Inhalt: Auf der Suche nach Haftbefehls Virtuosität

Eins vorweg: Da ich Drogen gegenüber im Allgemeinen eher abgeneigt bin, kann es durchaus sein, dass ich irgendwelche Floskeln aus dem Millieu nicht als solche erkenne. Sollte ich irgendwelche Anspielungen und Doppeldeutigkeiten verpassen, bitte ich höflichst um Aufklärung in den Comments.

Tatort, Frankfurt, Mainhattan
Artcore, du kennst FFM
Chabos, jetzt gibt's Heckmeck
Bös, denn ich rolle mit meim Besten

Hafti zeigt hier schon mit dem ersten Wort, wie gefährlich es wird. "Tatort" ist hier als Synonym zu Schauplatz zu verstehen, natürlich aber mit der Konnotation, möglicherweise Böses oder Illegales zu treiben. Damit kennt sich Hafti aus, hat er sich doch sogar nach seinem eigenen Haftbefehl benannt. "Frankfurt, Mainhattan" zeigt uns, wo sich alles abspielen soll. Neben der eindeutig zuzuordnenden Ortsangabe handelt es sich auch um einen Pleonasmus, also die Wiederholung der Bedeutung, denn "Mainhattan" ist auch eine Bezeichnung für Frankfurt. Selbiges gilt in der nächsten Zeile für "FFM". Was er mit "Artcore" genau meint, sei dahin gestellt, Google spuckt für diesen Begriff jede Menge Grafik- und Werbe-Agenturen um die Welt aus. Natürlich lässt sich auch die klangliche Nähe zum Wort "Hardcore" nicht leugnen, was die harte und schmutzige Konnotation dieser Strophe verstärkt. Am Rande verrät Wikipedia auch, dass es einen Punkmusik-Sampler aus dem Ruhrgebiet namens H'Artcore gibt oder gab. "Chabo" steht für Junge, genaueres zur Etymologie verrät Wiki:

Das Wort „Chabo“ entspringt dem Soziolekt Rotwelsch (tšabo) und bedeutet „Junge“ oder „Bauer auf dem Schachbrett des Lebens“.[4][5] In einem Interview bezeichnete Haftbefehl die Ursprungssprache für „Chabo“ als „Zigeunisch“ und die Bedeutung als „Junge“

 "Heckmeck" ist umgangssprachlich und abwertend und bedeutet "unnötiges Getue, nichtssagendes Gerede, Aufhebens".  Man könnte die Zeile also als "Jungs, jetzt gibts Ärger" interpretieren. Abgeschlossen wird die Strophe durch ein langezogenes "bös", das sich auch ein wenig wie "booze" (engl.: Alkohol) anhört und kombiniert mit der Szene im Musikvideo denken manche Schlingel und Innen wohl auch an "boobs" (engl.: Busen). Zusammenfassung dieser ersten Strophe: Laut Hafti geht es in Frankfurt wild zu und er ist bereit, seinen Teil beizutragen.

Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Im 600er Mercedes SL
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Ich und er sind jede Zeit bereit für Action

Stiltechnisch fällt natürlich die Wiederholung ins Auge. Die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Satzanfang bezeichnet man als Epanalepse. Wer sein Bester ist, weiß man bis dato nicht, bis nach vier Wiederholungen (damit diese bedeutsame Botschaft auch wirklich jede und jeder versteht!) auf ein Auto verwiesen wird. Nach weiteren drei Wiederholungen wird die Aussage getätigt, dass die beiden, vermutlich er und sein Auto, immer bereit sind. Wenn man wollte, könnte man das aber sicherlich auch eine Spur versauter interpretieren, wenn man das "er" nicht auf ein Auto bezieht."Mit meim" ist natürlich ein Gleichklang im Anlaut und somit eine Alliteration.

In-die-Fresse-Rap, jetzt gibt's Heckmeck
Fick-deine-Mutter-Mukke, das ist die Message
Aus Flex wird Crack, so wie gewohnt
Magic Rezept, doch nix Harry Potter, Hundesohn

Schon in der ersten Zeile wird mit "jetzt gibt's Heckmeck" die Brücke zur ersten Strophe geschlagen. Allerdings richtet sich das Heckmeck nun nicht mehr an die Chabos, sondern es wird direkt angesprochen, dass der Rap, Haftis Rap, als In-die-Fresse-Musik quasi das Heckmeck an der ganzen Sache ist. Sehr selbstreferenziell- und reflektiv, was Hafti hier anbietet. Ob die Aussage "Fick-deine-Mutter" und ihre Asoziationen in irgendeiner Weise eine Botschaft sind, die irgendwer in irgendeiner Form unbedingt hören will, sei dahin gestellt, auf jeden Fall ist "Mutter Mukke" eine Alliteration. "Aus Flex wird Crack, so wie gewohnt" wirft für mich Rätsel auf. Vorschläge sind gern in den Comments willkommen. Es ist wohl nicht anzunehmen, dass Hafti hier Werkzeug oder aber den Club in Wien meint. Der Vorgang wird in der nächsten Zeile jedenfalls als magisches Rezept beschrieben. Das hat aber "nix" mit Harry Potter zu tun, wie klar gestellt wird und damit das nicht vergessen wird, wird gleich noch eine deftige Beschimpfung ("Hundesohn") nachgeschoben. Einen gewissen Einfallsreichtum kann man Hafti da nicht absprechen, wenn er statt der vermutlich gängigeren Beschimpfung "Hurensohn" die Beschimpfung "Hundesohn" wählt. Wörtlich ins Englische übersetzt, würde das "son of a bitch" heißen, was man bei einer Rückübersetzung ins Deutsche dann doch eher als "Hurensohn" übersetzen würde. Eine lustige Spielerei auf Meta-Ebene, aber ob Hafti soweit gedacht hat? Man weiß es schlicht nicht...

Cash mit Packs, Geld mit Schnuff
Jetzt wird gestreckt, denn das Insan ist pur
Fick die Welt, Baba Haft macht Para
Mit Tijara und verkauft mehr Hähnchen als Wienerwald
Deal das Material, dieser Schwanz riecht nach Vignetten (???)

"Packs" und "Schnuff" referiert in diesem Zusammenhang wohl auf Drogen, womit es sich hierbei erneut um einen Pleonasmus oder eine Tautologie, also die Wiederholung des Sinns, handelt. Sollte "Insan" nicht irgendeine Bezeichnung aus der Drogensprache sein, dürfte es sich um das türkische Wort für Mensch handeln, das in diesem Fall aber zumindest auch metaphorisch für eine Droge stehen kann. Den Menschen synonym zum Umgang mit einer Droge zu deuten, ist eigentlich eine interessante Idee. "Fick die Welt" muss wohl nicht weiter interpretiert werden. Ob er sich damit nicht übernimmt? Allerdings ist er nicht der erste Künstler, dem dieses Motiv eingefallen ist. (Vergleiche: Turbonegro – Fuck the World!) "baba" heißt auf Türkisch und auch auf Hindi "Vater", "para" ist Türkisch und heißt "Geld", "Tijara" heißt offenbar Handeln oder Geld verdienen (ohne Gewähr), leider weiß ich allerdings nicht in welcher Sprache. Hafti meint also, dass er das große Geld macht und mehr "Hähnchen als Wienerwald" verkauft. "Wienerwald" ist eine bekannte Restaurantkette, die auch Hähnchen verkauft. Er fordert auf, mit dem Material (die vorher erwähnten Drogen?!) zu handeln und ergänzt eine geruchliche Beschreibung eines Schwanzes, wobei das beschreibende Wort kaum zu verstehen ist. Meines Erachtens klingt es nach "Vignette", was hochgradig unsinnig wäre. Vorschläge oder Korrekturen sind wie üblich in den Kommentaren willkommen. Schwanz könnte auch ein Pars Pro Toto sein und stellvertretend für einen anderen Mann stehen.

Ich beam mich in das All zu ET per 07-Pack
Es macht click-clack, jetzt ist der Copkiller back
Fuck Thug Life, Azzlack-Style, neuf millimètre 

Jetzt wird es abstrakt, ich deute die erste Zeile als Beschreibung eines Drogenrauschs. Mit E.T. bezieht er sich auf das außerirdische Wesen aus dem bekannten Spielberg-Film, was dem Song Intermedialität verleiht. Spannend dabei ist, dass E.T. ein sehr friedliebendes Wesen ist. Vielleicht sehnt sich Hafti ja nach ein wenig Frieden und Liebe? Mit "click-clack" ist eine auffällige Alliteration in dem Song. "Pack" und "back" scheinen zumindest auf dem Papier einen Endreim zu bilden, im Lied selbst klingt es aber nicht nach einem Reim. In der letzten Zeile schimpft Hafti über "Thug Life". "Thug Life" hatte der ikonische Rapper Tupac quer über seinen Bauch tätowiert. Der Begriff wurde aber auch zu einem Modelabel, mehr  dazu auf der Homepage von selbiger Firma.  "Azzlack" ist ein Begriff, den Hafti scheinbar selbst geprägt hat. Der Neologismus soll "asozialer Türke" bedeuten. Again, dafür übernehm ich keine Gewähr. Mit "Neuf Millimetre" wendet der gewandte Multilinguist Hafti seine Französischkenntnisse an, um eine Handfeuerwaffe zu bezeichnen, die 9mm-Patronen verballert.

Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Im G-Klasse Wüstentarn, jeder will mal Panzer fahrn
 Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Denn ich rolle mit meim Besten
Er und ich sind jede Zeit bereit für Action

Nach dem bereits bekannten Rollen mit seinem Besten kommt diesmal nicht der Mercedes SL 600, sondern die G-Klasse. Das G steht für Geländewagen, da passt natürlich dann auch die Wüstenfarbe dazu. Da so eine G-Klasse eher klobig ist, ergibt sich wohl das Bild mit dem Panzerfahren. Der Panzer hier ist aber auch eine Anspielung auf Haftbefehls Original-Song "Ich rolle mit meim Besten", wo folgende Strophe auftaucht:
Ich roll im Panzer ein in Frankfurt Main mit meim mon frère
Bomberjacke Militär, Dresscode Camouflage
O-F-F-EN zum Bach, guck wie es der Babo macht

In der hier behandelten Version des Songs kommt diese Strophe nicht vor. Stattdessen übernimmt der deutsche Künstler Marteria mit einer eigenen Ladung Wahnsinn.  Genaugenommen steigt Marteria bereits im Refrain ein. Hieß es im Refrain beim ersten Mal "Ich und er sind jede Zeit bereit für Action", heißt es jetzt, von Marteria gesungen, "Er und ich sind jede Zeit bereit für Action".

Alkoholkontrolle, Gorbatschow am Lenkrad
Jetzt liegt der Bastard auf der Ladefläche vom Defender
Der erste Tramper wird gefickt, magentafarben
Bitches blasen hinter Paderborn Tyrannosaurus Dick, Amores Perros
Leader of the Gang-Straßenköter-Clique
Pizza La Romantica macht schick, wenn du König bist
Wie schön du bist, zählt nicht, Cagefight, ewig nicht
Mein Wellensittich Bubi (?) sieht aus wie du, wenn er im Käfig sitzt
Babyface, Ladyshave, genieß dein Welpenschutz
Al Capone raucht Weed, bevor dich Ivan in die Elbe schubst
Aufrecht, Melcher, Großaspach, teure Felgen
Die Papers sind von Marsi, denn ich rolle mit meim Besten

Dieser Part haut ganz schön mit Doppeldeutigkeiten um sich und erzählt eine eigene kleine Gangster-Geschichte. Es fängt bereits mit Gorbatschow an, was einerseits einfach ein Eigenname sein könnte, andererseits natürlich auch für den ehemaligen sowjetischen Präsidenten steht, aber auch eine Wodka-Marke ist. Mit dem folgenden Abschnitt überfordert mich Herr Marteria ziemlich: Leute landen auf Ladeflächen, mit Paderborn wird ein neuer Schauplatz eingeführt, wobei nicht klar ist, was Paderborn nun zum besonderen Ziel für die beiden Gangster macht. Es wird mit Schweinereien und Filmtiteln ("Amores Perros") herumgeworfen... Es kann durchaus sein, dass hier auf andere Künstler oder andere Werke angespielt wird und ich die Zusammenhänge nicht erkenne, genauso gut kann es aber auch sein – und so wirkt es auf mich – dass es sich hierbei um eine völlig willkürliche Zusammenwürfelung verschiedener Bilder und Motive handelt, was natürlich auch nicht verboten oder schlimm wäre und der künstlerischen Freiheit von Marteria und Hafti überlassen sei. In der letzten Zeile referiert Marteria auf sein Alter-Ego Marsimoto. Unter dem Namen Marsimoto veröffentlicht Marteria mit verzerrter Stimme Songs über den Konsum von Cannabis. Marsimoto hat sich übrigens bereits früher in dem Lied zu Wort gemeldet: Von seiner verzerrten Stimme stammt die Line "Jeder will mal Panzer fahrn". Wer Näheres oder Details zu dieser Strophe hat, wer in der wahnwitzigen Willkür zwischen all den blasenden Bitches, Babyface, magentafarben, Welpen, Al Capones und Pizzerias einen tieferen Sinn oder gar Intermedialität und Intertextualität entdeckt, möge es bitte unbedingt in den Kommentaren mitteilen! Der österreichische Vorzeige-Internet-Star Money Boy (den ich übrigens für einen großartigen Satiriker halte), greift die "Bitches hinter Paderborn" übrigens in seinem Song Hot Wing auf. Er singt "Mein Dick hat die Länge einer Marathon Strecke, kuck wie ich mit Crack Bitch in Paderborn lecke". Fast schon gender-vorzeige-gerecht leckt der akademische Boy aber, anstatt zu blasen. ;-)

Nach dieser Strophe, die man fast als "Alice im Spiegelland" des deutschen Hiphop bezeichnen möchte, folgt der Refrain und dieses verrückte Duett von Hafti und Marteria endet.

Tatort, Frankfurt, Mainhattan
Artcore, du kennst FFM
Chabos, jetzt gibt's Heckmeck
Bös

denn ich rolle mit meim Besten
denn ich rolle mit meim Besten
denn ich rolle mit meim Besten
ich und er sind jederzeit bereit für Action

Was soll man von dieser Nummer halten? Abgesehen davon, dass das Lied einen eingängigen Beat hat, den man mögen kann oder auch nicht und der zugehörige Clip ein Paradebeispiel für ein sexistisches Musikvideo ist,  steht und fällt meines Erachtens viel mit der Intention des Künstlers. Es finden sich durchaus einige Raffinessen und Wortspiele in dem Text. Sollten diese – etwa die "Hundesohn -> Son of a bitch -> Hurensohn" Doppeldeutigkeit der ersten Strophe – gewollt sein, so kann man diversen Kolumen und Kommentaren zustimmen und es handelt sich hierbei tatsächlich um einen außergewöhnlichen Künstler, dem es sogar gelungen ist, Floskeln aus seinem eigenen Sprachgebrauch fest in der deutschen Sprache zu etablieren. Man denke etwa an den Langenscheidt-Verlag, der als Jugendwort des Jahres 2013 das Wort "babo" kürte, dessen Verbreitung zu einem großen Teil sicherlich auf Haftbefehls-Fahne zu schreiben ist. Sollte der Glanz und die Brillanz von Haftbefehls Lyrics reiner stümperhafter Zufall sein, so muss man sein Schaffen wohl als eine Art Art Brut des deutschen Hiphops betrachten. 

Ist er ein rauer Spinner und Gangster, der zufällig zur Größe in der deutschen Musiklandschaft fand oder ein genialer Sprachphilosph, der das Deutsche nach seinen Wünschen ergänzt, biegt und erweitert? Wie man zu ihm steht, bleibt letztendlich die eigene Entscheidung, ein popkulturelles Phänomen ist er aber zweifellos.

Montag, 5. Januar 2015

[Off Topic] I am back! Lived the dream and woke up



 
Hello Internet!

Lange ist es her, um genau zu sein viel zu lange! Der letzte Eintrag dieses kleinen Projekts stammt vom September 2012 und dennoch wurde der Blog in den letzten zwei Jahren kontinuierlich aufgerufen und es wurden mir – was mich sehr erfreut hat – immer wieder E-Mails und Kommentare geschickt, die nach mehr verlangten. Ein Wunsch, dem ich gerne nachgekommen wäre.

Ich möchte mich für das Interesse bedanken und erklären, wie es zu der langen Pause kam, was ich in den letzten Jahren so getrieben habe und was für Impressionen und Erfahrungen hängengeblieben sind.

Neben gewaltigem Uni-Stress habe ich damals auch begonnen, für eine größere Homepage, die den Bereich Medien und Entertainment abdeckt, News, Filmkritiken, Spieletests und ähnliches zu schreiben. Es war eine unglaublich tolle Zeit. Ich habe mich mit Leidenschaft und Eifer in die Sache gestürzt, hatte Wochen, an denen ich bis zu neun mal ins Kino ging (glaubt mir, eine Pressevorführung ist die einzige wirklich wahre Art, einen Kinobesuch zu genießen) und Wochen, in denen es mehrere Videospiele durchzusüchteln gab – vor Release. Ich war auf Filmfestivals und Börsen, auf der Gamescom, habe mit Regisseuren und Größen der Spieleindustrie gesprochen und war auf diversen Presseparties. Kurz: Ich habe einen meiner Jugendträume ausgelebt und ich bereue kaum eine Sekunde.

Living La Vida Loca hat aber auch seine Schattenseiten. Zunächst ist der Bereich finanziell kaum ergiebig, was – wie ich aus Gesprächen mit Branchenkollegen und Innen erfahren habe – aber nicht nur für Online-Medien, sondern ebenso für den Print-Bereich gilt. Generation Praktikum und so. Vom Träumen allein kann man sich leider aber kein Essen kaufen und keine Miete zahlen – auch wenn die Ausgaben für Kinokarten und Spiele drastisch sinken. Des Weiteren ist der Zeitaufwand enorm, worunter nicht nur soziale Kontakte leiden ("Sorry, kann heut Abend nicht – muss arbeiten und damit mein ich Assassin's Creed spielen" ist eine Entschuldigung, für die nicht alle Menschen empfänglich sind), sondern auch ganz massiv der Uni-Alltag. Fakt ist, ohne meinem kleinen Ausflug in die spannende und aufregende Welt der Medien hätte ich meinen Bachelor bereits vor zwei Semestern abschließen können. Außerdem nagt es auch gewaltig am eigenen Selbstwert, wenn diverse Freunde relativ direkt sagen, dass ihnen völlig egal ist, was sie von deinen Texten und deiner Meinung zu diversen Filmen und Themen halten, wenn du das ganze liebe lange Jahr nichts anderes machst, als dich genau mit diesen Dingen zu beschäftigen (ja, das qualifiziert in gewisserweise) und du sogar die Erscheinungstermine von Filmen und Spielen auswendig kennst. Viele meiner Freunde haben mich dabei aber auch bestmöglich unterstützt (Danke euch!) und es erfreut das Schreiberherz, zu wissen, dass die eigenen Texte über Filme und Spiele viele tausende Male aufgerufen werden und es einige doch interessiert. Die Aufrufs- und Besucherzahlen stehen einfach in keiner Relation zu diesem kleinen Blog – quasi Nussschale vs. Flugzeugträger oder viel mehr Flugzeugträger samt Flottenverband.


Letztendlich war für mich der ständige Druck und der Stress, die redaktionelle Arbeit mit dem Endspurt auf der Uni zu koordinieren aber deutlich zu hoch. Ich war schlecht gelaunt, hatte tatsächlich schlaflose Nächte, war erschöpft und konnte einfach nicht mehr. Spielen wurde zum Zwang und zur Anstrengung, Kinofilme begannen mich anzuöden und ich fing an, es zu zu genießen und zu schätzen, wenn ich für eine Kinokarte bezahlte, solang es mir das Schreiben über den Film ersparte. Ich war zu tief drin, zu persönlich involviert, der Input zu hoch, der Output zu gering. Es war Zeit aufzuwachen. Träume können schön sein, aber irgendwann müssen sie wohl enden. Obwohl ich die investierte Zeit großteils genossen habe, viele schöne Erinnerungen und Erfahrungen sammeln konnte und noch viel mehr tolle Menschen kennengelernt habe, so war es dennoch die beste Entscheidung des Jahres 2014, als ich im November nach langem Überlegen beschlossen habe, aufzuhören.

Ich fühle mich erleichtert und frei, habe innerhalb von zwei Wochen alles erledigt, was mir seit knapp zwei Jahren zum Bachelor gefehlt hat, habe einen neuen (geringfügigen) Job angenommen, der sich sehr viel besser mit der Uni – im März gehts mit dem Master los – vereinbaren lässt und der mir bei deutlich geringerem Aufwand etwa das Gleiche einbringt. Außerdem habe ich deutlich mehr Party gemacht, als für einen Menschen gut ist (Schon mal Baileys und Vodka 50/50 gemischt? That's the shit kann ich nur sagen, sollte jemand den dringenden Wunsch verspüren, sich möglichst rasch niederzuknallen) und auch dieser exzesshafte Wahnsinn des Dezembers soll jetzt im neuen Jahr voller guter neuer Vorsätze aufhören.

Zu diesen guten schönen neuen Vorsätzen gehört auch, meinen Senf zu allen wichtigen und unwichtigen, guten und dämlichen Erscheinungen und Ausprägungen des deutschen Musikschaffens in diesem Blog abzugeben. The Show must and will go on (voraussichtlich schon heute Abend!) und ich wünsche uns allen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2015!

P.S.: Als Entschädigung für diesen langen selbsttherapeutischen Blog-Eintrag gibt es hier das Bild eines süßen Kätzchens.



Quelle: lustich.de