Freitag, 17. Februar 2012

Hanzel und Gretyl - Fukken uber death party

Es war einmal... heute: Die Märchenstunde!

Da ich derzeit an einer Proseminararbeit feile, in der es unter anderem um Klischees über die deutsche Sprache im fernen Ausland gehen soll, fiel mir wieder Hänsel und Gretel ein. Oder genauer gesagt: Hanzel und Gretyl. Ein Musikprojekt, das seit 1993 darauf erpicht ist, mir Stoff für meine Proseminararbeit zu liefern oder anders ausgedrückt, seit knapp 20 Jahren darauf aus ist, die deutsche Sprache zu biegen, zu brechen, zu martern, ja geradezu zu vergewaltigen.
In dieser Zeit hatten sie es zur Vorband von Marilyn Manson, Rammstein oder auch Slipknot geschafft, aber erst mit dem heutigen Tage schafften sie es, als erste amerikanische Band, in diesem Blog zu landen!



Lyrics:
F.U.K.K.E.N.
U.B.E.R.
F.U.K.K.E.N.
U.B.E.R.

  Let's get this Toten party started mach schneller!
Let's get this Toten party started mach schneller!
Let's get this Toten party started mach schneller!
Let's get this Toten party started mach schneller!

Bring in die Frau mit der Schnaps und Bier!
Bring in die Frau mit der Schnaps und Bier!
Bring in die Frau mit der Schnaps und Bier!
Bring in die Frau eins, zwei, drei, vier!

FUKKEN
UBER
DEATH
PARTY
FUKKEN
UBER
DEATH
HALT

Ich bin der Kraut mit der großen Schnitzel!
Ich bin der Kraut mit der großen Schnitzel!
Ich bin der Kraut mit der großen Schnitzel!
Ich bin der Kraut mit der großen Schnitzel!

FUKKEN
UBER
DEATH
PARTY
FUKKEN
UBER
DEATH
   
*stark verzerrte Sprachsamples, vermutlich aus Hitler-Reden*

FUKKEN
UBER
FUKKEN
UBER

FUKKEN
UBER
DEATH
PARTY
FUKKEN
UBER
DEATH

Rhetorik, Inhalt etc.
Die rhetorische Brillianz des Liedes hält sich dezent in Grenzen, es wiederholen sich immer die selben Elemente, wobei wir unter diesen spannenden Bedingungen immerhin auf drei verschiedene Strophen kommen, die aus vier Zeilen bestehen, die sich inhaltlich exakt wiederholen. Lediglich in der zweiten Strophe bricht die letzte Zeile ab um statt dessen von eins bis vier zu zählen...
Fukken. Obwohl das Wort gewisse ähnlich klingende Assoziationen im Deutschen hervorrufen mag, bin ich diesem Wort auf den Grund gegangen: Neben der einen oder anderen Information, die ich wirklich nicht bekommen wollte (Verweise auf 4chan, ich weiß ja, wieso ich diese Seite immer gemieden habe...) soll "fukken" Internetslang sein und es bedeutet:

 1. fukken
 Another word for the word "fucking". Used by deep-into-computer-ppl Not the i'm fucking someone word, but the i'm fucking good word. 
Why are you even asking this? Are you dense? I'm fukken batman!
"Fukken" ist also etwas positives. Das darauf folgende "uber" ist eines der ganz besonders klischeebelasteteten deutschen Worte, das seinen Ursprung irgendwo zwischen Nazi-Uber-Soldaten (bsp. aus diversen Videospielen) und der völlig falsch interpretierten Grundidee dahinter, Nietzsches "Über-Mensch" haben mag. Es scheint einen gewissen Grundschatz von deutschen Wörtern zu geben, die weltweit, aber besonders im englischen Raum mit der deutschen Sprache in Zusammenhang gebracht werden und die generell auch bei nicht vorhandenen Deutsch-Kenntnissen von Deutsch-Fans gerne irgendwo mitten in ihre englischen Kommentare gepostet werden. Nennen wir es einfach deutsche "Uber-Worte", denn "über" ist definitiv eines von ihnen. Dass die Ü-Striche und Umlaute generell schon mal weg fallen können, darf man einfach nicht so engstirnig sehen. "Über" ist in dieser Funktion meistens ebenfalls als ein Wort  zu verstehen, das etwas positiv steigert und eine Stufe höher setzt. Es eben "über" den Normalzustand setzt. Wenn man davon ausgeht, dass es sich um ein deutsches Lied handelt, wären natürlich alle englischen Worte Anglizismen, wie sinnvoll das im Falle dieses wahnwitzigen Hybrid-Textes aus Englisch und Deutsch wäre, ist fraglich. 
Wir haben also eine "fukken uber death party". "fukken" und "uber" sind also beides Worte, die etwas zum Positiven steigern, also ersetze ich sie auf paradigmatischer Ebene durch Worte mit ähnlicher Funktion um den Sinn ein bisschen klarer darzustellen: "super mega Todes Party" wäre etwa eine Möglichkeit. Man könnte "über" natürlich auch im Sinne von "über dem Tod" also "den Tod überwinden" verstehen, was meines Erachtens aber durch den üblichen Sprachgebrauch des Wortes "uber" auszuschließen ist. Dennoch die Mehrdeutigkeit besteht und beschert dem Lied damit eine Tiefe, die ich ihm weder zugetraut hätte, noch zugestehen will.
Auf zur ersten Strophe: "Lets get this Toten Party started - mach schneller". Fangen wir mit dieser Toten-Party schneller an. Da diese Band ziemlich eindeutig und provokativ NS-Stilistik einsetzt und generell gerne mit Nazi-Klischees spielt, kommen bei mir bei diesen Zeilen Bilder aus Konzentrationslagern hoch, was entweder auf morbide Züge meinerseits oder größte Geschmacklosigkeit seitens der Band hinweist. 
Strophe zwei bedient sich da schon freundlicheren Klischees über das deutsche Volk. Da kommt Oktoberfest-Stimmung auf: "Bring in die Frau mit der Schnaps und Bier!". So fröhlich wie auch in dieser Strophe "denglisch" gesprochen wird, ist es wohl den Aufwand nicht wert sich hier über den fehlenden Dativ beim Artikel des Schnapses zu ärgern, zumal ja gerade diese Schlampigkeiten die Reize des amerikanischen Klischee-Deutschs und somit auch dieses Liedes ausmachen.
Hier wird rhetorisch raffiniert die vierte Zeile verändert: das "mit der Schnaps und Bier" wird durch "eins, zwei, drei, vier" ersetzt, ein rhetorisch geschickter Kunstgriff, da sich "vier" nach wie vor auf das "Bier" der dritten Zeile reimt. Überdies fällt das Zählen bis Vier natürlich ebenfalls in die Kategorie "Uber-Deutsch". Das auf Deutsch Zählen ist selbst in deutschen Liedern eine höchst beliebte Disziplin, zeugt sie doch von überragenden arithmetischen Fähigkeiten, welche man zweifelsohne in der Musik demonstrieren sollte. Andere berühmte Beispiele für den kunstvollen Einsatz deutscher Zahlen sind beispielsweise: Oomph! - Augen AufRammstein - SonneTerminal Choice - Keine MachtFarin Urlaub Racing Team - zehn .
Aber in der dritten Strophe kommt alles noch besser: "Ich bin der Kraut mit der großen Schnitzel".
"Kraut" war eine stereotype Bezeichnung für Deutsche, meist deutsche Soldaten während des zweiten Weltkriegs. (Wikipedia: Kraut) "Mit" verlangt den Dativ, das sagt sogar der Duden, aber wieso sollte man den Dativ plötzlich verwenden, wenn man ihn doch schon in der zweiten Strophe so erfolgreich ignoriert hat? Das dativlose "Schnitzel" würde ich persönlich wieder als eines dieser klassischen "uber-deutschen" Worte bezeichnen. Schnitzel und Sauerkraut kennt man. Zusätzlich würde ich es in dieser Redewendung auch nicht falsch finden, wenn man Schnitzel als Metapher für das männliche Geschlechtsorgan interpretiert. Aber das kann natürlich auch völlig weit hergeholt sein.
Damit das Ganze dann noch deutscher wirkt, folgt noch dieses verzerrte und unverständliche Sprachsample, das vermutlich irgendeine Hitler-Rede sein dürfte, zumindest aber so klingt.
Auffallend in bestimmten Richtungen der dunklen Musik ist der Zwang zu provozieren. Viele Bands erreichen dieses Ziel durch übertriebenen Uniform-Fetischismus und das gewagte Spiel mit Symbolik aus dem Nationalsozialismus. Viele dieser Bands haben jedoch keinerlei rechtsradikale Absichten, distanzieren sich davon oder bezeichnen sich als unpolitisch. Wenige sind tatsächlich rechtsradikal, diese stehen meist auch dazu. Gemeinsam haben jedoch alle, dass über ihre mögliche politische Ausrichtung debattiert wird. So natürlich auch bei Hanzel und Gretyl, was bei einem solchen Albumcover auch nicht weiter verwunderlich sein dürfte...


Von der Farbwahl über die Totenköpfe zu den Blitzen, hier wird mit Symbolik gespielt, die sich im deutschsprachigen Raum in die Nähe der Verfassungsgrenze begibt. Auf den ersten Blick mag Hanzel und Gretyl vielleicht wie eine rechtsradikale Band wirken, jedoch wurde auf den völlig unsinnigen Text bereits eingegangen. Es bleibt zu dieser unleidigen Frage zu sagen: Hanzel und Gretyl ist von vorne bis hinten nicht ernst zu nehmen. Das ergibt eine Betrachtung aller ihrer Texte, die zwar gehäuft mit Worten und Floskeln aus dem Nationalsozialismus sein mögen, diesen aber durch ihre völlig willkürliche Verwendung und Konstruktion jegliche Ernsthaftigkeit entziehen. Kein Mensch, der diese Texte tatsächlich versteht, weil er sowohl der deutschen als auch der englischen Sprache mächtig ist, kann dieser Band ernsthaft rechtsradikales Gedankengut unterstellen.
Des Weiteren, würde diese Band ansatzweise rechtsradikal sein, würde sie definitiv nicht hier in dem Blog landen. Es handelt sich um Satire und Nonsens mit nicht allzuviel gutem Geschmack. Ob ein solches Projekt notwendig ist?
Definitiv, denn Pionieren wie Hanzel und Gretyl oder auch Rammstein habe ich es zu verdanken, dass in der internationalen Bevölkerung das von mir hier geprägte "Uber-Deutsch" existiert, das die Grundlage für meine Proseminararbeit bildet. Wer weiß was ich mir sonst für ein Thema suchen hätte müssen? In diesem Sinne... danke rothaarige Gretel und Stahlhelm Hänsel.











5 Kommentare:

  1. entzückend!
    (is es peinlich, wenn i ihren Sound geil finde?)

    lg,
    lady k.

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  2. Super!! Genau auch meine Interpretation und kann das jetzt gut verwenden, wenn ich Leute überzeugen muss, dass eine Band nicht sofort eine Nazi-Band ist, nur wenn sie deutsche Wörter verwendet!

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  3. hey geil geschrieben. ich lieeebe diese band !!! folgt nun eine dissertation u(!)ber das thema ?

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  4. leider nicht, aber ich ich werd mir die Herrschaften bald live zu Gemüte führen!

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  5. Die "unverständlichen Schnipsel einer Hitlerrede" stammen aus dem Chaplin Film "Der große Diktator"...;))

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