Samstag, 28. Juli 2012

Die Ärzte - M&F

Einen guten Morgen wünsch ich den digitalen Weiten!

Sachen gibts, die gibts gar nicht. Zum Beispiel eine Ärzte-Nummer, die mir gefällt. Um hier kurz meine Abneigung über die Ärzte ein bisschen genauer auszuführen: textlich schätze ich ihre "Operationen" (...das ist jetzt eine Metapher für Lieder... weil der Bandname "die Ärzte" ist... klar? versteht ihr?)  durchaus und ihre Botschaften sind oftmals gelungen, wichtig und pädagogisch wertvoll. Ich denke beispielsweise an dieses Lied hier. Wer eine Dorfgemeinschaft kennt, weiß, was ich meine. Die Melodien, die ihre Texte untermalen, gefallen mir jedoch oftmals nicht, sind nach unzähligen Partys bis zur Unendlichkeit satt gehört und klingen, rein subjektiv gesprochen, oftmals als ob jemand eine Ukulele auf einem Raststädtenklo vergewaltigt. 
"Ist mir zu popig", meinte eine Freundin dazu und vielleicht ist gerade das der Grund, warum ich dieses Lied, nach seiner gestrigen zufälligen Entdeckung, ganz gerne mag. Darüber hinaus finde ich auch das Musikvideo ganz amüsant.

Video:



Lyrics:

Man sieht sie gern am Wochenende
Sportlich moderne Herren mit heißem Blick
Sie zerren frisch gestrichene Damen
Auf die Tanzflächen der Republik

Das Balzverhalten erwachsener Menschen
Ist interessanter als so mancher glaubt
Von Brusthaartoupet bis Botoxmaske
Im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt!

Männer und Frauen sind das nackte Grauen
Wie sie sich stundenlang tief in die Augen schauen
Und die Frauen anderen Frauen ihre Männer klauen
Und die Männer an den Frauen ihren Frust abbauen
Denn Männern und Frauen ist zuzutrauen  
Das sie sich gegenseitig gerne die Nacht versauen
Wenn sie schmachten bis zum Morgengrauen
Und dann doch wieder allein nach Haus abhauen

Sie liegen schon Mittags in den Büschen
Nachts kann man kaum noch durch den Stadtpark gehen
Romantische Schwärmer nennen es Liebe "ich würde sagen"  
Hier kann man Hormone bei der Arbeit sehen

Und wenn sie die Beleuchtung dimmen  
Eine Nation im Stangenfieber  
Im Frühling ist´s besonders schlimm
Darum ist mir der Winter einfach lieber

Denn Männer und Frauen sind das nackte Grauen
Wie sie sich stundenlang tief in die Augen schauen
Und die Frauen anderen Frauen ihre Männer klauen
Und die Männer sowieso nur "Häuser" bauen
Manche Männer lieben Männer, Manche Frauen eben Frauen
Da gibt's nichts zu bedauern und nichts zu stauen
Das ist genau so normal wie Kaugummi kauen
Doch die meisten werden sich das niemals trauen


Rhetorisches und so:
Der Aufbau hat mir gewisse Schwierigkeiten bereitet, man hätte das Ganze zwecks der Übersicht wohl auch in vierzeilige Strophen gliedern können, jedoch scheint mir der Refrain semantisch zusammengehörig, weshalb ich ihn zusammen geschrieben habe. Die ersten beiden Strophen reimen sich nach dem Schema "abcb". Der darauf folgende erste Refrain ist im sauberen Endreim gehalten, genauer sogar ein Haufenreim. Es folgen wieder zwei "abcb" Strophen und zum Abschluss folgt ein weiterer Refrain im Haufenreim. Spannend finde ich, dass sich der Refrain auch inhaltlich ändert.
Die erste Strophe trumpft schon mit einer Alliteration "sieht sie" auf. Eines der beiden Adjektive  in "sportlich moderne Herren" könnte man unter Umständen als Epitheton Ornans (schmückendes Beiwort) bezeichnen. "Heißer Blick" ist eine tote Metapher. Eine ganz wundervolle Metapher folgt in der nächsten Zeile: "frisch gestrichene Frauen" für stark geschminkte Frauen. In der letzten Zeile halte ich die "Republik" einfach für eine Verallgemeinerung. Paradigmatisch könnte man die Republik gut durch "überall", "im ganzen Land" etc. ersetzen.
Die zweite Strophe bietet vergleichsweise wenig Spannendes, lediglich das Sprichwort in der letzten Zeile "Im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt".
Im zweiten Refrain macht die Wiederholung der Wortgruppe "Männer und Frauen" auf sich aufmerskam. Man kann von einer Repetitio sprechen. Eine Metapher ist "Männer und Frauen sind das nackte Grauen", eine tote Metapher ist "tief in die Augen schauen". Lustig finde ich in diesem Refrain auch die Doppeldeutigkeit: "versauen" ist hier zwar negativ im Sinne von "etwas nicht erreichen" gemeint, meines Erachtens schwingt aber auch das Konnotat "versaut" mit. Auch die Tageszeiten kommen als Motiv vor, die später wieder aufgegriffen werden.
In der folgenden Strophe findet sich die nächste Doppeldeutigkeit: "In den Büschen liegen" könnte natürlich auf sexuelle Handlungen hindeuten, andererseits bedeutet es aber auch "lauern, warten". Als Evidenz würde ich "mittags in den Büschen, abends im Park - Liebe/Hormone" sehen. Der Gedankengang es sei "Hormontreiben" wird durch die Aufzählung der beiden Tageszeitenbeispiele erklärt. "Romantische Schwärmer nennen es Liebe, ich würde sagen hier kann man Hormone bei der Arbeit sehen" ist Zynismus, vielleicht sogar Sarkasmus. Das "Romantisch" der Schwärmer ist ist übrigens wieder ein Epitheton Ornans, also ein schmückendes Beiwort.
In der nächsten Strophe findet sich ein sehr romantisch konnotiertes Bild: "Die Beleuchtung dimmen".
"Nation" ist wie schon "Republik" eher als Verallgemeinerung, denn als tatsächliche rechtsstaatliche Bezeichnung zu sehen. "Stangenfieber" ist offenbar ein Synonym für "notgeil" oder einen erigierten Penis. Möglich, höre ich hier zum ersten Mal. Die Tageszeiten werden hier interessanterweise durch Jahreszeiten "Frühling" und "Winter" ersetzt.
Die beste vielleicht nicht, zweifellos aber
aber die bescheidenste Band der Welt!
Im zweiten Refrain wird das "nach Haus" des erstens Refrains mit "Häuser bauen" wieder aufgegriffen. "so normal wie Kaugummi kauen" ist ein Vergleich.

Inhalt:
Soweit sich mir ein noch viel tieferer, brillianterer Sinn nicht verschließt, geht es in diesem Lied zunächst um die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Ich meine mit Beziehung weniger eine Beziehung im Sinne von "zusammen sein" sondern mehr im Sinne von "aufeinander einwirken". Es geht darum, wie verrückt und absurd sich Menschen im Hormonrausch oder Liebestaumel verhalten, jeder der schonmal so richtig verliebt war, wird sich bewusst sein, dass die Rationalität plötzlich egal ist und man von einer Dummheit in die Nächste wankt. Andererseits zeigt das Lied aber auch, wie verletzbar dieser Rausch machen kann. (Selbst die besten Blogautoren sind davor nicht gefeit!)

Betrachtet man das Lied über die fallenden Worte "Nation" und "Republik" könnte man aber auch die allgemeine Übersexualisierung der Gesellschaft hinein interpretieren. Alles und jeder muss immer und überall geil sein, an jeder Ecke, in jeder Werbung werden wir daran erinnert, dass das höchste und wichtigste Ziel der nächste Stich ist. Die ganze Welt läuft mit "Stangenfieber" herum und geht dann doch "allein nach Hause". Das könnte man, wenn man so will, dahingehend interpretieren, dass das vielleicht doch nicht  das erstrebenswerteste Ziel ist. Oder etwa auch, dass diese vorgezeigten Ziele für die meisten Menschen nicht erreichbar, ja schlicht nicht real, sind.
Wie auch immer man diese Zeilen interpretieren mag, am Schluss folgt die wertvolle Botschaft, dass Homosexualität normal ist und die Leute das endlich akzeptieren sollten. Ansich eine gute Botschaft, obwohl ich sie in diesem Lied, so in den letzten zwei Zeilen, ein bisschen hektisch finde. Quasi auf den letzten Drücker: "achja, übrigens... worauf wir hinaus wollten... eine Ladung Sozialkritik haben wir auch noch dabei!"
Ich finde das Lied sowohl textlich als auch musikalisch ganz fetzig, es betrifft wohl so ziemlich jeden Menschen, denn vor den emotionalen Achterbahnfahrten mit dem anderen Geschlecht (oder auch mit demselben) ist wohl niemand verschont und früher oder später wird jeder Mensch solcherlei Erfahrungen machen. Das Lied erreicht somit eine ziemliche Allgemeingültigkeit.
Abschließend sei noch, auf Grund großer inhaltlicher Parallelen, auf ein ähnliches Lied der amüsanten deutschen Band "Knorkator" hingewiesen: alter Mann.
Wer weiß, vielleicht werd ich auf meine alten Tage ja doch noch Ärzte-Fan?




Sonntag, 22. Juli 2012

Blumio - Hey, Mr. Nazi

Hey weltweites Netz, long time no see!

Traurigerweise hat mich der Uni-Alltag daran gehindert hier fleißig zu posten und obwohl nun Sommerferien sind, hält sich die Zeit für einen Blogeintrag (welcher doch immer sehr viel mehr Zeit in Anspruch nimmt, als ich ursprünglich plane) dank meiner derzeitigen Ferial-Arbeit auch eher in Grenzen. Ich hoffe, ich kann in den restlichen Sommerferien noch den einen oder anderen Eintrag verfassen, bevor der Uniwahnsinn im Herbst wieder über die jetzt so friedlich sommerliche Welt herein bricht.
Im letzten Eintrag gab es bösen Paganmetal, weshalb ich nun, zwecks der Abwechslung, mit Hip Hop kommen möchte. Deutschem Hip Hop, um genau zu sein. 
Zwar bin ich üblicherweise sehr nett, weltoffen und tolerant gegenüber allem und jedem, aber ich muss zugeben, dass es mir bei deutschem Hip Hop und seinen Gangster-Abszessen schon mal schnell den Magen umdreht. Wieso? In allererster Linie, weil ich ihn für eine überzeichnete Glorifizierung von Bildungsmangel halte. Früher oder später werde ich in diesem Blog, rein wegen des Spasses, sicherlich auch eine Koryphäe aus dieser musikalischen Spielart analysieren, bis dahin sei erwähnt: Es gibt auch ziemlich guten deutschen Hip Hop, sei es nun auf sprachlicher oder inhaltlicher Ebene.
Das heutige Lied finde ich rhetorisch wenig spannend, den Inhalt dafür umso wichtiger: Es sagt uns, dass man nicht so einfach schwarz-weiß malen sollte, wie ich es im obigen Absatz gerade getan habe und daher Vorhang auf für Blumio in seiner ganzen Weisheit:

Video:



Lyrics:


Hey, Mr.Nazi.
Müsste ein Wörtchen mit dir reden, bitte, hör mir zu. Yeah  
Sieh mich an, was siehst du in mir?
Nur einen kleinen Ausländer, der so riecht wie ein Tier?  
Ein dummer Schlitzauge, ein Scheiß-Reisfresser?
Den man im besten Falle gleich einäschert?
Bitte sag’s mir, denn ich will wissen, was du denkst.
Denn es ist mein Wille, dass du jetzt das Richtige erkennst.  
Ich stink’ nämlich gar nicht, ich dusch mich jeden Tag.
Mann, würd’ ich stinken, dann blitz ich doch bei den Mädels ab.  
Und nein, ich will auch nicht nur Reis fressen.
Manchmal will ich auch ne Bockwurst in ’n Senfglas reinstecken. "Mhh, lecker!"
Und dann genüsslich verschlingen. Das hätteste nicht gedacht. 
Siehste, jetzt hab ich in deine Welt etwas Licht gebracht.
Ich greif dich nicht an, ich reich dir die Hand.
Bitte hör’ auf meine Worte, saug sie ein wie ein Schwamm. "slrp"  
Denn es ist leicht zu sagen ’Nazis Raus’.
Doch jeder Mensch kann sich verändern, ich glaub, Nazis auch. 

Und ich sag: Hey, Mr.Nazi, komm’ auf meine Party.
Ich stell’ dir meine Freunde vor!
Das hier sind: Juspé und Kati,
Thorsten und Nefatih, wir haben den selben Humor.
Und wir sagen: Hey, Mr.Nazi komm’ auf meine Party,  
ich zeig dir meine Kultur.
Das hier sind Sushi und Technik, Mangas und Origami,
ich kenn’ das seit meiner Geburt.

Kennst du das Gefühl, wenn ein Mensch dich verletzt,
weil ein Mensch dich verletzt, obwohl du kämpfst bis zuletzt.
Oder, das Gefühl, wenn dir was Gutes passiert,
du für kurze Zeit die Sorgen um die Zukunft verlierst.
Oder, wenn du verliebt bist. Ich brauch’ es nicht mal selbst zu sagen.
Das Gefühl, als könntest du die ganze Welt umarmen.
Ich weiß, du kennst es auch, wir sind nicht komplett verschieden.  
Doch du trittst auf den Mann ein und lässt ihn liegen.
Und das Schlimmste daran, er war Familienvater.
Und nun herrscht bei ihm zu Hause ein Riesen-Drama.
Die Tochter verstehts nicht, drum fragt sie jeden Tag:
"Mama, sag’s mir doch, warum ist denn der Papa nicht mehr da. Er hat aber versprochen, er kauft mir neue Schwimmflügel. Und dass wir Picknick machen gehen, bei den Windmühlen."  
Später wird sie verstehen, was das alles heißt.
Doch jetzt steht sie nur da und sieht, wie Mama weint.

Hey, Mr.Nazi, komm’ auf meine Party.
Ich stell’ dir meine Freunde vor!
Das hier sind: Juspé und Kati,
Thorsten und Nefatih, wir haben den selben Humor.
Und wir sagen: Hey, Mr.Nazi komm’ auf meine Party,  
ich zeig dir meine Kultur.
Das hier sind Sushi und Technik,
Mangas und Origami,
ich kenn’ das seit meiner Geburt.

Es ist nicht leicht, sich mit Einsamkeit herumzuschlagen. "Nope!"  
Jeder Mensch will doch Gleichgesinnte um sich haben. "Oder?"  
Und ehe du dich versiehst, bist du im Freundeskreis,
in dem man mit dem Finger auf andershäutige Leute zeigt.
Und das kann schnell gehen, das ist keine Lüge,
die meisten Menschen haben irgendwo rassistische Züge.
Ich seh’ rassistische Lehrer und rassistische Hauptmänner, "Steh’n bleiben!"
Rassistische Deutsche und rassistische Ausländer.
Und früher war ich selbst ’n kleiner Rassist,
und sowas kommt von mir, seht ihr jetzt, wie einfach das ist?  
Ja, ich weiß, ihr hört mich immer sagen, Japse hin und her, "Japse, Japse"  
Doch im Grunde ist mir das scheißegal, ich bin nur ’n netter Kerl.  
Und jetzt verleih’ ich diesen Worten meine Kraft,
und so leg’ ich heute alle meine Vorurteile ab.
Du sagst, ich seh’ das mit den Vorurteilen viel zu krass,  
doch genau die sind der Ursprung für Krieg und Hass.  
Und wir sagen:

Hey, Mr.Nazi, komm’ auf meine Party.
Ich stell’ dir meine Freunde vor!
Das hier sind: Juspé und Kati,
Thorsten und Nefatih, wir haben den selben Humor.
Und wir sagen: Hey, Mr.Nazi komm’ auf meine Party,  
ich zeig dir meine Kultur.
Das hier sind Sushi und Technik,
Mangas und Origami,
ich kenn’ das seit meiner Geburt.


Stilistisches etc.:
Das Lied besteht aus drei Strophen, auf die drei Mal der selbe Refrain folgt. 
Die Zeilen enden jeweils in, vielleicht nicht immer ganz reinen, Endreimen. Auffällig sind zusätzliche Kommentare, die den eigentlichen Inhalt des Textes unterstreichen und teils auch ein bisschen den Inhalt ins Lächerliche ziehen. "Mhhm, lecker" und "Steh'n bleiben" sind Beispiele hierfür.
Sofort ins Ohr springt auch die Verwendung des Dialekts (oder Soziolekts? Hierfür müsste man sich mit deutschen Varietäten besser auskennen). Eines von vielen Beispielen hierfür wäre "will ich auch ne Bockwurst in ’n Senfglas reinstecken". Auch habe ich den Eindruck, dass gelegentlich das "CH" zu einem "SCH" wird. Man verzeihe mir an dieser Stelle meinen Dilettantismus, aber nichts liegt mir ferner als nun phonologisch und phonetisch zu arbeiten, daher ist dieses Thema an dieser Stelle für mich auch abgeschlossen.
Wirklich großartige rhetorische Figuren und Stilmittel springen einem nicht sofort ins Auge, jedoch fallen bei genauerer Betrachtung schon einige Dinge auf. Etwa die Alliteration: "du denkst. (nächste Zeile) Denn...". Der folgende Satz wird eingeleitet durch einen Ausruf (Exclamatio) und ist des weiteren ein Exemplum, also ein verdeutlichendes Beispiel: "Mann, würd ich stinken, dann blitz ich doch bei den Mädls ab...". Ebenfalls ein Exemplum ist "Manchmal will ich auch ne Bockwurst in ’n Senfglas reinstecken.", auf welches sofort Onomatopoesie folgt:  "Mhh, lecker!" Eine tote Metapher ist "Licht in die Welt bringen" und ein Vergleich ist "saug sie ein wie ein Schwamm".
"Mister" ist natürlich ein Anglizismus. Im Refrain werden die Worte "Sushi", "Technik", "Mangas" und "Origami" als Metonymie für die japanische Kultur verwendet. Wobei hier schon erwähnt werden muss, dass die japanische Kultur, bei allen guten Bestrebungen des Liedes, hier sehr auf Stereotypen reduziert wird. Sushi sollte im westlichen Raum mittlerweile bekannt sein, Technik referiert auf diverse japanische Elektronikhersteller, Manga sind japanische Comics und Origami ist die Kunst des Papier-Faltens.
In der zweiten Strophe finde ich sehr spannend, dass ein langes Exemplum bei der dramatischen Climax die Strophe unterbricht: "Mama, sag’s mir doch, warum ist denn der Papa nicht mehr da. Er hat aber versprochen, er kauft mir neue Schwimmflügel. Und dass wir Picknick machen gehen, bei den Windmühlen.
In der dritten Strophe folgt eine Enumeratio, eine Aufzählung: "rassistische Lehrer, rassistische Hauptmänner, rassistische Deutsche, rassistische Ausländer". Und zum Schluss folgt noch ein kleiner Vulgarismus "scheißegal".

Inhalt:
Das Lied erklärt sich von selbst, schickt seine Botschaft meines Erachtens aber sehr geschickt, indem es mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen aufzeigt. Blumio, als japanisch stämmiger Deutscher, stellt sich selbst offen und bereitwillig als Projektionsfläche zur Verfügung. Dabei scheut er sich nicht, auch von früheren  rassistischen Tendenzen in sich selbst zu erzählen. Das nützt er dazu um das Gemeinsame hervor zu heben, wie er etwa auch humorvoll erwähnt, dass er keine Chancen bei Frauen hätte, würde er tatsächlich stinken. Er spricht den "Mr. Nazi" zwar als solchen an, stellt aber eine Verbindung von Mensch zu Mensch her, indem er davon ausgeht, dass auch "Mr. Nazi" liebesfähig ist und sein Verletztsein spürt. "Oder wenn du verliebt bist, ich brauch es nicht mal selbst zu sagen, das Gefühl, als könntest du die ganze Welt umarmen". Hier findet ein geschickter Perspektivenwechsel statt: Hat Blumio bisher hauptsächlich von sich selbst gesprochen, so spricht er nun vom "du", das die ganze Welt umarmen kann. Auch der Satz "ich weiß, du kennst es auch, wir sind nicht komplett verschieden" stellt Verbindung und Verständigung her und erst danach folgt die Kritik "doch du trittst auf den Mann ein und lässt ihn liegen".
Erst nachdem er Verständnis für den "Mr. Nazi" ausgedrückt und so Verständigung hergestellt hat, drückt er das Trennende aus. Nun versucht er bei "Mr. Nazi" Verständnis für den ermordeten Mann herzustellen, indem er die Geschichte der Witwe und der hinterbliebenen Waise erzählt. Blumio enthält sich eines expliziten Urteils und spricht stattdessen im Refrain noch einmal die Einladung aus, auf die Party zu kommen.
Auch in der letzten Strophe drückt er Verständnis aus, indem er als Motiv für Rassismus die Einsamkeit vermutet. Er bringt sich wieder selbst ins Spiel, indem er sich von seinem früheren Rassismus distanziert und als Japaner selbst mit dem abwertenden Wort "Japse" spielt. Das ist bewusst politisch unkorrekt und eine versteckte Einladung nicht jedes Wort auf die Waagschale zu legen. Dennoch warnt er eindringlich vor Vorurteilen, die er als Ursprung für Krieg und Hass sieht. Das Lied endet im Refrain mit der Einladung auf die Party mit Menschen verschiedener Herkunft zu kommen.
Bei allen lobenswerten Aspekten des Liedes, finde ich es spannend, dass Blumio aber auch mit vielen Stereotypen arbeitet, was nicht weiter dramatisch ist, wenn man sich die Größe und Komplexität des Themas vor Augen hält. Er greift damit auch das Stilmittel der Stereotypisierung auf und bewegt sich dadurch quasi in ihrem Terrain der angesprochenen Gruppe.
"Hey Mr. Nazi" ist auch kein Einzelfall, Blumio nimmt sich des Öfteren solch gesellschaftskritischer Themen an, wie etwa in "Die Welt ist schwul" und "Antigewaltsong". Das ernster inszenierte "Wir träumen gemeinsam von besseren Tagen" ist dem Song "Hey Mr. Nazi" nicht so unähnlich.
Blumios Botschaften laden jeden zum Nachdenken ein. Er vertritt hohe moralische Werte, moralisiert dabei aber nicht.
Blumios Musik spricht mich nicht so an, wie seine Texte, diese jedoch halte ich für  eine großartige und lobenswerte Ausnahme, nicht nur im Hip Hop, sondern in der gesamten Musikwelt.